Warum ist Storytelling auch im Business-Umfeld so wichtig? Content Marketing setzt sich immer mehr durch als langfristige SEO-Massnahme. Das bedeutet, dass immer mehr Unternehmen redaktionelle Inhalte produzieren und publizieren.
Um aus diesem Inhalte-Meer herauszuragen, braucht es entweder gut gestalteten Content, den sonst niemand hat – oder eine schöne Geschichte. Eine Story, die beim Leser hängenbleibt! Geschliffene Werbebotschaften kommen beim Publikum immer weniger an. Sie interessieren sich für redaktionelle Inhalte, die ein Thema interessant abdecken, Content Marketing auf Neudeutsch.
Hier kommt Storytelling ins Spiel: Mittels Helden, Prinzessinnen und Bösewichten lassen sich Zusammenhänge einprägsam vermitteln. Im Stile Hollywoods, halt.
Jetzt stellt man sich berechtigterweise die Frage, was denn Unternehmensinhalte mit Hollywood zu tun haben sollen?
Nun ja, ganz einfach: Wenn Inhalte nicht spannend aufbereitet sind, liest sie einfach niemand! Weil sie niemand auf Social Networks teilt oder begeistert darüber spricht und so per Mund-zu-Mund Propaganda in Umlauf bringt.
Storytelling mit Hollywood-Anspruch
Ich liess mir diesen Zusammenhang eindrücklich von Storytelling-Advisor Joel Blom «einbläuen». Anhand meines privaten Weiterbildungsprojektes des Reiseblogs reisememo.ch fragte ich ihn, wie wir unsere Hotel- und Restaurant-Reviews attraktiver aufbereiten könnten.
Mit Erstaunen stellte er fest, dass wir für die Reviews jeweils eingeladen werden und in den Häusern recht angenehm logieren und dinieren.
Darauf meinte er trocken:
Walter, da wirst Du ja verwöhnt ohne Ende! Warum sollte ich mich um Dich kümmern?
Ich werde Deinen Blog nicht lesen. Ist nicht interessant für mich.
Schock!
Und weiter seine Erklärung: Mir gehe es ja gut, ich würde in den Hotels total verhätschelt. Daraus lässt sich keine Story drehen und also interessiere es ihn nicht. Weil nicht spannend.
Wenn es nicht um Leben und Tod oder Helden und Halunken geht – Hollywood-Style – wird es einfach nicht gelesen. Punkt.
Phuh, harter Bescheid! Im Prinzip sagt er, dass wir Schreibenden uns die ganze Mühe umsonst machen. Ausser – wir finden eine Story, die Leser packt. Ab dem ersten Absatz!
Also bildete er mich aus in Sachen Storytelling. Folgendes habe ich mitgenommen:
Menschen leben für Emotionen, für eindrückliche Erlebnisse. Damit kann man ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit wecken. Seit Jahrtausenden nutzen wir am Lagerfeuer Geschichten: Stories transportieren Emotionen am effektivsten!
Aber was ist eine gute Story?
Gemäss Joel Blom erfüllt eine gute Story 3 Bedingungen:
- Die gute Story macht Zuhörer betroffen (make people care)
- Sie zeigt, was auf dem Spiel steht (show what’s at stake)
- Die Storyline sagt, was man als nächstes tun soll (what to do next)
Wenn die Geschichte nicht berührt, wird es schwierig, den Leser zu halten.
Je höher der Einsatz, der auf dem Spiel steht, umso packender kann die Story werden.
Die Handlungsaufforderung am Schluss kann explizit oder unterschwellig erfolgen: Ein Hotel-Review kann zum Ziel haben, weitere Gäste zum Besuch zu animieren. Dies kann explizit erwähnt oder unterschwellig angepeilt werden. Aber die Story verfolgt trotzdem ein Ziel (Purpose driven storytelling).
8 Elemente einer guten Story
Nochmal gemäss Joel Blom:
Eine gute Story…
- … geht auf Zuhörer und ihre Situation ein.
- … hat den einen Zweck. Dieser treibt den Spannungsbogen.
- … hat glaubwürdige Protagonisten (Held oder Prinzessin, Bösewicht).
- … zeigt, was der Held sucht (Schatzsuche der Heldenreise).
- … birgt Konflikte. Drama ist die Quelle guter Geschichten!
- … lehrt uns eine allgemeingültige Lektion («und die Moral der Geschichte…»).
- … sagt dem Leser (subtil oder auch offen), was als nächstes zu tun ist.
- … ist emotional befriedigend nach einem Wechselbad der Gefühle (Happy End).
S.T.O.R.Y. Framework
Im deutschen Sprachraum spricht man von der «Heldenreise«: Es gibt eine Szene, dort einen Helden, ihm wird ein Floh ins Ohr gesetzt, er macht sich auf die entsprechende Schatzsuche, er trifft auf Drachen und allerlei Hindernisse, kommt fast um dabei, überwindet alle Hindernisse und kehrt geläutert zurück.
Allenfalls mit einem Auge weniger und übersät von Narben, aber bekleckert mit Ruhm und Ehre. Wir Leser leiden mit und sind schliesslich glücklich, etwas gelernt zu haben. Ohne mit Drachen kämpfen zu müssen.
Oder so ähnlich.
Der Held verlässt die Balance («Wie an jedem Morgen…») und kämpft in der Unbalance («Aber plötzlich…»), um in eine neue Balance zurückzukehren («Seither ist neu…»).
Als Verstärkung wird auf der Heldenreise oft auch ein Mentor eingesetzt. Der hilft, die Zweifel (!) des Helden zu überwinden («Use the Force, Luke!»).
Als Zwischenfazit wird klar: Ohne Änderung der Situation, keine Story!
Wie erzählt man eine gute Story?
Beim Schildern einer Geschichte achte man darauf, die drei Komponenten Handlung, Details und Emotionen abwechslungsweise einzusetzen. Egal ob mündlich oder schriftlich, die Abwechslung wirkt wie ein Einschub und baut Spannung auf.
Die einzelnen Absätze enden mit einem «Cliffhanger»: Sie machen eine spannende Andeutung auf die weitere Handlung, werden dann aber von einem Einschub unterbrochen. Beim Leser soll das Kopfkino zunächst selber überbrücken, bevor die Handlung aufgelöst wird und zu einem emotional befriedigenden Ende führt (Happy End).
Hier die Struktur unseres Restaurant-Reviews von einem Gourmet-Essen bei Andreas Caminada: Über ihn wurde schon alles geschrieben. Was soll an einem Essen schon spannend sein?
Grün: Handlung, gelb: Details, rot: Emotionen. Die Komponenten wechseln sich ab und zuhanden des Spannungsbogens haben die Emotionen ein Hoch nach zwei Dritteln des Artikels.
Erfolgskontrolle: Kommt die Geschichte beim Publikum an?
Bei Videos ist es sehr einfach zu prüfen, ob die Story verfängt und von Bild, Schnitt und Ton unterstützt wird: Im Video-Hosting von Wistia.com zeigt eine über das Video gelagerte Kurve, an welcher Stelle die Betrachter aussteigen. Eine flache Kurve bedeutet, dass man im Verlauf des Videos nur wenige Betrachter verliert.
Im zweiten Beispiel ist entweder die Story weniger spannend oder der Schnitt zu wenig dynamisch. Am Schluss sieht man, wie bei einem Video in einem Blogbeitrag der Abspann überhaupt nicht interessiert.
YouTube bietet unter Analytics / Audience Retention eine ähnliche Funktionalität.
Die Erfolgsmessung von Stories in Form von Text ist etwas aufwändiger. Die präziseste Messung erhält man durch Scroll-Tracking: Man misst z.B. in Google Analytics mittels eines zusätzlichen Scripts, ob die Leser 0%, 25%, 50%, 75% oder 100% des Beitrags lesen. Umgesetzt wird dies mittels eines JavaScript Codes oder im Google Tag Manager. Eine Anleitung dafür werden wir später in diesem Blog publizieren.
Die Resultate waren für unseren Reiseblog jedenfalls ernüchternd: Beim «Long-Form Content» erreichten weniger als 4% der Leser das Ende meiner Reiseberichte! Dazu und wie es besser geworden ist, gäbe es viel zu kommentieren, aber das ist eine andere Geschichte…
Alternativ kann man bezüglich Messung des Storytelling-Erfolgs auf etwas «gröbere» Kennzahlen zurückgreifen wie Dauer der Sessions oder Anzahl Einstiegsseiten. Beide Werte müssten dank gutem Storytelling steigen, die Bounce-Rate sinken.
Aber Vorsicht: Diese Werte werden auch von vielen anderen Einflüssen wie der Suchabsicht der Leser (Micro-Moments), dem entsprechenden Zweck der Seite oder dem Lesegerät (Mobile vs. Desktop) beeinflusst.
Fast einfacher als die quantitative Messung ist die qualitative Befragung: Wie empfinden Leser die mit Storytelling «frisierten» Berichte? Hier sind unsere Erfahrungen ausgezeichnet! Weiter kürzen müssen wir unsere Texte aber trotzdem…
Tipps für besseres Storytelling
Die frühere Pixar-Regisseurin Emma Coats hat 22 «Story Basics» publiziert, die sie im legendären Animationsstudio gelernt hat. PR-Blogger Walter Epp hat sie praktischerweise auf Deutsch übersetzt in Teil 1 und Teil 2.
Meine 3 Lieblings-Tipps:
- #3 Als Autor erkennt man die Geschichte erst am Schluss als solche. Now rewrite.
- #8 Nicht jede Story klappt. Move on, do better next time!
- #12 Man begnüge sich nicht mit der 1. Idee. Oder der 2., 3., 4… Surprise yourself!
Storytelling Werkzeugkiste
Mit zunehmender Übung konnte ich feststellen, dass ich immer mehr Instrumente fand, um Geschichten zu spinnen. Hier ein paar Tipps:
- Am Ende beginnen (Was soll der Leser am Schluss tun?)
Wer ist der Leser überhaupt? (Zielgruppe festlegen und dessen Absicht)
- Was kümmert den Leser? (Why should I care?)
- Was passiert, wenn das Problem nicht gelöst wird? (What’s at stake?)
- Bei Personen: Woher kommen sie? Worum kümmern sie sich?
- Geschichten sind nicht normal. (Raise the stakes!)
- Persönlich werden!
Sehr attraktiv hat Patrick Kappeler von Storyteller Expert einen Storytelling-Profiler zusammengestellt: In 10 Minuten erstellt man ein Assessment der eigenen Story. Taugt sie in Sachen Spannungsbogen oder sollte man noch etwas an der Dramaturgie feilen?
Wer das Thema weiter vertiefen will, ist bei der Khan Academy bestens aufgehoben: In einem kostenlosen Online-Kurs lernt man Storytelling von den Besten des Fachs!
Wer Storytelling im Business-Umfeld mehr von der Präsentationsseite her einsetzen will, sollte sich für den eintägigen Kurs des Spontantheaters Anundpfirsich einschreiben.
Auch sehr zu empfehlen ist die kleine Broschüre «Besser schreiben mit Spannung» der Journalisten Werkstatt. Sie beschreiben noch weitere Stilmittel und Methoden.
Und viel zu lernen gibt es auch vom kauzigen Kurt Vonnegut. Der ist immer für einen Lacher gut…
Am Anfang steht das Ziel der Kommunikation
Mirko Lange hat bei talkabout.de einen Story-Circle publiziert. Er veranschaulicht zwei Themen: Erstens sollte man vom Ziel der Kommunikation ausgehen und daraus eine Story entwickeln. Und zweitens sollte man basierend auf diesem Ziel aus den vielen möglichen Kanälen diejenigen wählen, die für das Transportieren der Botschaft am besten geeignet sind.
Die Vielfalt der Möglichkeiten mit ihren jeweiligen Eigenheiten ist beeindruckend!
Und zum Schluss: Die kürzeste Geschichte der Welt
Mir wurde der Sachverhalt so erzählt, dass die New York Times einen Wettbewerb ausgeschrieben habe, wer die kürzeste Geschichte dichte. Gewonnen hat schlussendlich Hemingway mit folgendem Beitrag:
Und los geht das Kopfkino!
Als ich diese Kurzgeschichte recherchierte, konnte ich nirgends einen Hinweis auf die NYTimes finden. Aber wie die Italiener zu sagen pflegen: «Se non e vero, e ben trovato»…
In diesem Sinne möchte ich alle auffordern, Beiträge zu spicken mit Handlung, Ausschmückung und Emotionen! Das ist es, was wir Leser wollen!
Buchen Sie bitte einen unverbindlichen Termin, falls wir auch Ihr Unternehmen in Sachen Storytelling und Content Marketing unterstützen können! Sie erreichen uns unter info@blueglass.com oder unter +41 44 552 70 00.